Milliarden verbrannt

Zwei Arten der betrieblichen Stagnation sind weit verbreitet: Stagnation auf hohem Niveau und geduldiges Ausharren in selbstgewähltem Elend. Beides sind hervorragend geeignete Chancengräber; mitbegraben werden jährlich Ressourcen in Milliardenhöhe.

Laut Dr. Detlev W. Schlebusch et.al ..“sind endogene – hausgemachte – Krisenursachen erfahrungsgemäß in über 80 Prozent der Fälle entscheidend für den Niedergang eines mittelständischen Unternehmens.“

Klingt nicht gut. Richtig?

Wesentliches Strukturkriterium des Mittelstands ist es dabei, dass sich Stärken und Schwächen der Führungsmannschaft überproportional in der Führungskultur, der Struktur der Entscheidungsprozesse und damit insbesondere in der Entscheidungs- und Reaktionsfähigkeit eines Unternehmens im Umgang mit Erfolgen oder Krisen abbilden.

Ein selbstbewusstes, kritisches Hinterfragen der eigenen Einschätzungen als Grundlage für eine, z.B. auch in der Revision der 9001:2015 geforderten, faktenbasierte Entscheidung findet im Allgemeinen in dem, deutlich von dem Führungsideal „Stärke und Selbstbewusstsein“ bestimmten, mittelständischen Umfeld noch eher selten statt.

Ich kenne doch meine Leute, meinen Markt, meine Technologie. Oder?

Insbesondere in Situationen, die zeitkritisch und kognitiv anspruchsvoll sind, also besonders bei als kritisch oder sehr attraktiv empfundenen Lösungsansätzen in komplexen Umfeldern, tritt häufig ein Phänomen auf, das aus Arbeiten des Sozialpsychologen Norbert Schwarz als Gefühl-als-Information (GAI) oder Emotionsheuristik bekannt ist.

Dabei werden persönliche Gefühle im Zusammenhang mit einem Entscheidungsbedarf als „objektive Information“ und außerordentlich vertrauenswürdige Information wahrgenommen und bilden dann die Basis scheinbar objektiv richtiger Entscheidungen.

Das hat man im Gefühl!

Im Zentrum stehen dabei speziell jene Emotionen, die durch den Entscheidungsgegenstand selbst hervorgerufen und die zum Zeitpunkt des Urteils empfunden werden. Man hört hier im Gespräch mit Entscheidern häufig Formulierungen wie. „Das kommt mit der Erfahrung, das hat man einfach im Gefühl.“

Die Emotionsheuristik reduziert die häufig als überfordernd wahrgenommene Komplexität einer Fragestellung. Die Gefühle werden als EINE Information wahrgenommen, die angenehm komplexitätsreduzierend ein breites Spektrum von in sich verschiedener Einzelinformation zusammenfasst und sich als Surrogat anbietet.

Das ist doch klar!

Weiterhin werden „GAI“-Entscheidungen dann im Nachgang unbewusst rationalisiert und mit objektiven, explizit kommunizierbaren Kriterien ausgestattet.

Das Modell der Kognitiven Dissonanz von Leon Fechtinger beschreibt, dass und wie Menschen Unstimmigkeiten in der Wahrnehmung von sich selbst und ihrer Umwelt vermeiden. Die Tendenz, mögliche Dissonanzen zu vermeiden, führt zu selektiver Informationssuche – und Verarbeitung. Die als positive oder negativ bewertete Entscheidungsvariante wird zementiert.

Eine so getroffene Entscheidung zeichnet sich dann dadurch aus, dass sie nur noch ungern diskutiert wird und Gegenargumente häufig als persönlicher Angriff bewertet werden.

Man ist sich sicher.

Diese beiden Mechanismen zugrunde gelegt, lässt sich ganz gut die Frage beantworten, welche Entscheidung ist zu erwarten, wenn ein Lösungsvorschlag für ein heutiges Problem enge Erinnerungen an ein schiefgegangenes, blamables Projekt weckt oder an den größten Erfolg, den der oder die Entscheiderin in ihrem noch jungen, stark prägenden Berufsleben erzielen konnte.

So habe ich persönlich z. B. gelernt, gegenüber meinen prinzipiell eher euphorischen Einschätzungen der Attraktivität von Projekten im Großraum Frankfurt Höchst, skeptisch zu sein und Projekten im sächsischen Anlagenbau gegenüber eine optimistischere Haltung einzunehmen.

Ein Tipp für Entscheider, der sich daraus ableiten lässt, ist es, sich einmal in einer stillen Minute eine Frage durch den Kopf gehen zu lassen, wie z.B. “Wenn ich persönlich in Betracht ziehe, dass auch in meinen Entscheidungsprozessen GAI und kognitive Dissonanz als Mechanismen mitlaufen und meine Wahrnehmung der Realität in besonders wichtigen Fällen kritisch verzerrt sein kann, WELCHE Erfahrungen aus meiner professionellen und persönlichen Biographie sind gut geeignet, starke Verzerrungen auszulösen?“

Allein sich einmal mit dieser Frage auseinanderzusetzen und nachzusehen, was da so alles auftaucht, bringt jede Führungskraft weiter. Das macht Sie als Führungskraft stärker und authentischer. Und Ihr Unternehmen Krisen-sicherer.

Und wenn Sie dann wieder einmal in einer komplexen oder stark unbefriedigenden Situation schnell entscheiden müssen und großen Enthusiasmus oder widerstrebende Impulse spüren, die ganz schnell nachlassen und einem starken Gefühl von völliger Sicherheit Platz machen?

Oder aber, wenn in der Erfolgsstarre das Leistungsplateau in der Komfort-zone eines Unternehmens nicht rechtzeitig erkennbar erscheint wird. Wenn getreu dem Leitsatz „never change a winning team“ wichtige Entscheidungen zu spät oder gar nicht getroffen werden. Wenn die frühe Weichenstellung für zukünftigen Erfolg unterbleibt und die entgangenen Erträge aus Chancen als Parkgebühr für ein Unternehmen in selbstzufriedener Verschnaufpause dienen.

Auch dann ist es ein probates – und nebenbei kostengünstiges – Mittel der Wahl, einen geeigneten Sparringspartner zu Rate ziehen; dies mit dem Auftrag und der verbindlichen Erlaubnis, Ihre Einschätzung als Advocatus Diaboli zu hinterfragen. Ob Sie das Glück haben einen starken Sparringspartner in den eigenen Reihen zu haben oder einen Externen hinzuziehen; er oder sie wird Ihnen nicht nur belastbar Wichtiges über Stärken und Schwächen Ihrer Führungskräfte und Ihres Unternehmen spiegeln, – Sie werden auch in Größenordnungen Parkgebühren einsparen.

Was häufige Indikatoren für eine Stagnation auf einem Leistungsplateau sind und wie Sie Stagnation durch Schutzstarre identifizieren und wie Sie in beiden Fällen „Heilung“ einleiten können, dazu erfahren Sie mehr im 2. Teil dieses Artikels.