ALS PARKGEBÜHR

In der Erfolgsstarre wird das Leistungsplateau in der Komfortzone eines Unternehmens nicht rechtzeitig erkannt; getreu dem Leitsatz „never change a winning team“ oder „weiter so, damit haben wir beim letzten Mal auch Erfolg gehabt“ werden wichtige Entscheidungen zu spät oder gar nicht getroffen.

Die frühe Weichenstellung für Erfolg unterbleibt im Wechselspiel der Möglichkeiten eines dynamischen Umfelds; die entgangenen Erträge aus Chancen dienen als Parkgebühr für ein Unternehmen in selbstzufriedener Verschnaufpause.

Drei weitverbreitete Anzeichen für die Stagnation auf einem Leistungsplateau sind:

In den Leitungssitzungen sterben die Fragen aus. Es gibt nur noch Antworten, Gewissheit und Seitenverweise auf frühere Erfolge. „Wir machen das wie bei XYZ, das lief doch gut“. Alle nicken – und Sie haben ein schnell ernster werdendes Problem des blinden „common sense“. Sie haben den Parkzustand im Sumpf der Gewissheit erlangt.

Gegenmittel: Stellen Sie immer wieder Fragen: Was wissen wir nicht über unseren Kunden? Was wissen wir nicht über unserer Märkte? Was verstehen wir nicht in unseren Marktbeobachtungen? Was verstehen wir nicht in unserem Unternehmen?

Sehr erfolgreiche Unternehmen prämieren gute Fragen – egal aus welcher Unternehmensebene; Mittelmaß belohnt zufriedenstellende, plausible Antworten aus der Führungsetage.

Ein großer unternehmerischer Erfolg wird zum Dreh-und Angelpunkt Ihrer Innovationsstrategien. Das angenehm sichere Gefühl, mit einer Ahnung, einer Idee recht bekommen zu haben, ein Risiko eingegangen zu sein, dass sich gelohnt hat, fühlt sich einfach zu gut an. Die Erfahrung, einen außerordentlichen Erfolg geplant und realisiert zu haben, will nicht verlassen werden. Dieser Erfolg wird zum Dreh- und Angelpunkt einer jeden – aus Unternehmersicht relevanten – Innovation. Das Motto lautet „mehr davon“.

Einseitige Innovation auf einem bestimmten Produktstrang, in einem Marktsegment oder – noch gefährlicher in einer bestimmten bevorzugten Funktionseinheit Ihres Unternehmens – führt zu einseitiger Ressourcenzuordnung und anderen Schieflagen Ihres Unternehmens.

Wichtige Impulse aus Ihrem internen und externen Unternehmenskontext werden ignoriert, potentielle Partner frustriert, attraktive Zukunftsoptionen verspielt. Sie parken Ihr Unternehmen am Treibanker des Erfolgs.

Gegenmittel: Identifizieren Sie die drei größten Erfolge Ihres Unternehmens und legen Sie aktiv einen anderen, komplementären oder sogar bewusst entgegengesetzten Innovationsfokus als Basis Ihrer mittelfristigen Innovationsstrategie fest. Kommunizieren Sie diesen im Unternehmen, zusammen mit dem Appell, dass es wichtige Aufgabe eines jeden Mitarbeiters, einer jeden Mitarbeiterin ist, in Ihrem Umfeld rundum nach Chancen Ausschau zu halten und geben Sie die neuen Mittelfristperspektiven lediglich als Beispiel, als Anregungen.

Ein Produkt, eine Technologie, ein Marktsegment ist reif geworden. Ein Unternehmen ist so weit in einer bestimmten Richtung gegangen, wie irgend möglich. Entweder, weil alles getan wurde, was geht – z.B. die Langspielplatte ist so gut wie irgend möglich entwickelt und im Markt verankert – der nächste Schritt ist zwingend ein Sprung, die CD. Oder, weil sich der Markt sprunghaft verändert hat. Z.B. die Energiewende ist da, das Geschäftsmodell der Großkraftwerke kommt an eine neue harte Grenze; nachgefragt wird die Energiedienstleistung oder Mobilität statt PKW und Statussymbol, oder, oder, oder.

Bleibt man im gewohnten Führungsmodus, Motto – wir sind Marktführer, Technologieführer… und geführt wird von vorne, geht es nicht mehr wirklich weiter. Aber, will man diese Position verlassen, müsste man zugeben, dass man umkehren, zurückrudern muss für einen Neuanfang. Also macht man weiter mit aller Macht, kommt immer weniger voran und parkt vor einer Wand.

Gegenmittel: Überprüfen Sie systematisch den Reifegrad Ihres Angebots. Prüfen Sie bei Marktführerschaft sehr kritisch das Verhältnis von Ressourcenzuordnung und Ergebnis über die letzten Jahre, Wenn Sie ein Plateau oder sogar eine Abnahme des Verhältnis feststellen erweitern Sie Ihr Portfolio oder schichten Sie Ressourcen um, hin zu weniger dominanten Angeboten mit Entwicklungspotential.

Es gibt noch eine Fülle weiterer Formen von Stagnation. Weit verbreitet sind z.B. die Heldenverehrung – „Alle warten auf den Einen“, das gallische Dorf“– wenn der Standort wollte, was die Zentrale sagt“, „Hollywood-Parken – Kräftig am-Lenkrad-Drehen vor bewegtem Hintergrund etc.. In diesen und allen anderen Fällen von Stagnation fällt die Aufgabe, „Heilung“ einzuleiten, Ihnen als Führungskraft zu. Es ist an Ihnen, gezielt die erforderlichen Impulse zu setzen und das Unternehmens-Schiff wieder in eine schiffbare Fahrrinne zu bringen.

Abwarten und mehr Aktivität und Engagement von den Mitarbeitern zu erwarten, ist beliebte Variante von Führungslamenti und häufiger Ausgangspunkt für den Ruf nach mehr Mitarbeitermotivation, höherem Mitarbeiterengagement, besserer Qualifizierung etc..

Als erfahrene Beraterin oder Berater mag man in diesen Fällen zu bedenken geben, dass es natürlich gut machbar ist, ein stärkeres Engagement der Mitarbeiter zu erzeugen und mittelfristig aufrechtzuerhalten. Aber, dass in allen beschriebenen Fällen der Stagnation, die positive Veränderung Bottom Up, d. h. aus der Mannschaft heraus, eine – zu mindestens partielle – Revolution oder Meuterei der Experten erfordern würde. Und solche disruptiven Veränderungen zeigen immer auch ein Führungsversagen, sind in den seltensten Fällen wirklich erforderlich und i.a. für Sie als Führungskraft eher nicht wünschenswert.

Um im Bild zu bleiben: Wenn der Motor Ihres Unternehmens anspringt, Ihr mittleres Management die Kraft überträgt, aber die Führung die Bremse vergessen hat, zu lösen, dann geht viel Energie verloren und es riecht nach – vergessener Handbremse. Ein weitverbreiteter, gut bekannter, aber im Allgemeinen leicht heilbarer Anfängerfehler. Wenn es nicht zügig vorangeht, ordnen Sie die Ursache zu und lösen Sie die relevanten Bremsen.